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Miteinander reden: eine persönliche Sache

von Martin Brandstötter

Eine gute Beziehungsebene und Klarheit in der Sache bilden die Grundlage für Mitarbeiter- und Bewerbungsgespräche

Es ist eines der klassischen Bilder, die wir bezüglich China und Europa im Kopf haben: Chinesen agieren zurückhaltend und wollen das Gesicht wahren, Deutsche sind direkt und nennen die Dinge ohne Umschweife beim Namen.

Vielleicht kennen Sie dieses Bild, trotzdem fragen Sie sich: „Und was bedeutet das für ein reales Gespräch? Wie soll ich mich denn konkret verhalten im Bewerbungs- oder im Mitarbeitergespräch?“

Mit einer europäischen Brille sehe ich vor allem eines: wichtig ist Klarheit! Damit meine ich ein „einheitliches Verständnis“ zwischen den beiden Gesprächspartnern. Beide müssen sich im Klaren sein was das konkrete Gesprächsthema ist, denn sonst denken wir irgendwann: „Oh, wir haben jetzt eine halbe Stunde aneinander vorbeigeredet“. Und falls Sie dieses Gefühl schon mal hatten, angenehm war es nicht, oder?

Klarheit muss auch am Ende des Gesprächs da sein: Klarheit über die Lösung, Klarheit über das weitere Vorgehen. Klarheit darüber, wer für was wann verantwortlich ist und wer wen worüber informiert. Denn wenn es hier kein gemeinsames Verständnis gibt, fühlen wir uns auch nicht gut: „Jetzt haben wir zwar eine Stunde geredet, aber ich weiß gar nicht, was wir vereinbart haben“, oder: „Der macht jetzt was ganz anderes als ausgemacht.“

Da mir leider auch Führungskräfte begegnet sind, die lieber schwammig bleiben (ich vermute, manche Menschen legen sich nicht so gerne fest, weil sie sonst für Entscheidungen grade stehen müssten), gehe ich einen Schritt weiter: Selbst als Mitarbeiter oder als Bewerberin können und sollen Sie diese Klarheit einfordern (Glauben Sie mir, das erspart Ihnen viel Nerven. Die Konfusion kommt ja meist etwas zeitverzögert).

Nun setze ich eine chinesische Brille auf: in all den Seminaren die ich mit chinesischen Führungskräften gemacht habe, haben die Teilnehmer diesen Begriff verwendet: 理解一致(lǐjiě yīzhì), einheitliches Verständnis.

Doch selbst wenn das Ziel gleich ist, kann der Weg unterschiedlich sein: in einer europäischen Unternehmenskultur reden Vorgesetzte und Mitarbeiter „auf Augenhöhe“. Auch wenn die Position und die Verantwortungsbereiche verschieden sind, erwarten Vorgesetzte von Mitarbeitern ein selbstbewusstes Auftreten und das proaktive Einbringen von Ideen.

In einer chinesischen Unternehmenskultur würde so ein Verhalten vor den Kopf stoßen: die Führungskraft würde Sie als zu forsch, zu fordernd und respektlos betrachten. Hier empfehle ich im Auftreten mehr Zurückhaltung.

Ein chinesischer Vertriebsmanager hat mir seine Erfahrung so geschildert: als er nach einigen Jahren in Deutschland wieder in China tätig war, gab es sogar Kundenbeschwerden, weil er recht direkt war und von den Kunden konkrete Entscheidungen einforderte. Drängen sollten Sie also nicht.

Darüber hinaus bin ich überzeugt dass Führungskräfte sehr große Verantwortung tragen, und das können Sie wiederholt wertschätzen. Denn auch Menschen in der Chefetage freuen sich über positives Feedback.

Ich habe bereits mit sehr vielen Personen Mitarbeitergespräche trainiert. Meine Erfahrungen in China haben mir gezeigt, dass die Menschen dort großen Wert auf zwischenmenschlichen Kontakt und die Beziehungsebene legen. Die Gespräche sind geprägt von Interesse an der Person und es fallen immer wieder wertschätzende Formulierungen, die herausstreichen, dass hier Menschen miteinander kommunizieren.

Der europäische Zugang wiederum fokussiert eher auf die Sache: „Was ist unser Ziel? Was ist unsere Aufgabe? Wie gehen wir das an?“ Gerade unter Stress rückt die persönliche Ebene in den Hintergrund. (Natürlich ist das sehr pauschal und ich habe auch einzelne Gespräche erlebt, welche die berühmte Ausnahme zu dieser Regel bilden).

Ich selbst sehe es als großes Geschenk, dass ich beide Kulturen und beide Arbeitswelten kennenlernen durfte, denn so kann ich jeweils das Beste herausnehmen und verbinden:

In einem idealen Gespräch gehen wir mit chinesischem Interesse und mit Neugier auf unseren Gesprächspartner ein, auf der Beziehungsebene bleiben wir durchgehend konstruktiv. Diese gute persönliche Gesprächsbasis hilft uns auf der Sachebene. Denn auf einer guten Beziehungsgrundlage können wir sachliche Herausforderungen, unterschiedliche Standpunkte und Aufgaben klar, konkret und präzise behandeln.

Martin Brandstötter arbeitet als systemischer Coach in chinesischer Sprache. Der Beitrag behandelt seine Erfahrungen aus Personal- und Organisationsentwicklungsprogrammen bei österreichischen und deutschen Unternehmen in China.
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