BAT vs. Start-Ups – Wer bekommt die Hochqualifizierten aus Übersee?
Viele wissen, dass die Wirtschaft in China boomt, und das unentwegt trotz aller Erwartungen der Baisse-Spekulanten. Es gibt täglich neue Start-Ups, neue Deals und jede Menge umkämpfte Märkte. Das bedeutet allerdings auch, dass die Start-Ups von gestern die Großkonzerne von heute sind. Damit wird es für die heutigen Start-Ups umso schwerer, ihre Geschäftsmodelle profitabel und erfolgreich umzusetzen.
Häufig tritt der Begriff „BAT“ als Synonym für chinesische Großkonzerne auf. Damit sind aber eigentlich die drei umsatzstärksten E-Commerce Giganten Baidu, Alibaba und Tencent (Mutterkonzern von WeChat) gemeint. Man sollte aber auch erwähnen, dass sich Huawei schon zu der BAT-Gruppe zählen darf und, dass Baidu am Umsatz stark nachgelassen hat.
Hochqualifiziert ohne Mandarin?
Allgemein gilt, je schlechter das Mandarin ist, desto höher oder spezieller muss die Qualifizierung sein. Vorerst jedoch ist es wichtig zu klären, welche Zielgruppe genau mit Hochqualifizierten gemeint ist. Denn das Bild der Spitzenkandidaten – gerade aus Deutschland – wird durch die vielen in China niedergelassenen Tochterunternehmen und Mittelständler verzerrt. Als Deutscher braucht man sich fast keine Gedanken über ein verhandlungssicheres Englisch, geschweige denn, über ein geradezu ausreichendes Mandarin zu machen, wenn man in einem deutschen Ableger in Shanghai oder Peking arbeitet. Die chinesischen Giganten bzw. die Start-Ups als deren Konkurrenten zielen allerdings auf eine weitaus spezifischere Gruppe ab.
Es wird den Ingenieursberufen in China immer wieder nachgesagt, dass Sie durch Chinesen nicht zu ersetzen sind. Deutsche sollen also weiterhin sehr gute Karrierechancen haben. Leider wird selten erwähnt, dass das „nur“ die nicht-chinesischen Betriebe betrifft. Immer mehr Chinesen absolvieren Studienfächer, wie Maschinenbau und Ingenieurswesen und sind dadurch konkurrenzfähig für Berufe der chinesischen Firmen. Sie beherrschen die chinesische Sprache, sind also keiner Sprachbarriere ausgesetzt und haben es einfacher, kulturelle Werte und Unternehmenswerte zu vertreten.
Die BAT mit Fokus auf IT-Spezialisten
Baidu, Alibaba und Tencent sind Internetkonzerne. Demzufolge richten sich deren Zielgruppen auf die Top-Kandidaten der IT. Sie sollten also vorzugsweise vom MIT oder der Stanford University kommen, zudem mit Bestnoten, Berufserfahrung sowie der Annahme und dem Ausleben chinesischer Kultur- und Unternehmenswerte. Gerade Baidu sucht nach Programmierern für ihr Machine-Learning Programm „paddlepaddle“ und andere AIs, wie das autonome Fahren. Dabei arbeitet Baidu auch intensiv mit ausländischen Firmen, wie nVidia zusammen. Da sind natürlich Kandidaten gefragt, die sich die Start-Up Szene in China – auch des Ansehens wegen - nicht leisten kann.
Alibaba, auf der Suche nach ähnlichen Kandidaten, achtet bei der Einstellung sehr genau auf Wertevorstellungen, wie Altruismus und Bescheidenheit. Auch wenn das im Gegensatz zum Alibaba Gründer Jack Ma steht, der oft als „Crazy Jack“ betitelt wird und sich gerne auch so nennen lässt. Damit kann man einfach erkennen, dass man verrückt innovativ sein soll, aber menschlich in der Umsetzung handeln sollte. Bis hierhin sollte es keine wirklichen Unterschiede zu den Start-Ups geben. Die Besonderheit bei Alibaba ist, dass es seine eigenen Research Centers und Colleges hat, zu denen nur die Besten Zugang haben. Tausende absolvieren jährlich strenge und anspruchsvolle Assessment Centers. Damit zieht der E-Commerce Gigant seine eigenen intelligenten Köpfe groß.
Neue Firmen setzen sich meist bei Fabriken bzw. Clustern ab
Start-Ups setzen sich fast immer in sogenannten Wirtschaftsclustern ab, also in Gebieten, in denen die Großen Ihren Sitz haben. In China sind das insbesondere Shanghai, Shenzhen und Hangzhou. Man sitzt somit näher an Lieferanten und Kunden. Die Frachtwege sind durchaus kurz und somit kostengünstig. Auch ist es weitaus weniger aufwendig, Mitarbeiter und Spezialisten zu finden. Es klingt zwar ein wenig makaber, aber oft ist es so, dass Kandidaten, die von den großen Unternehmen abgelehnt wurden, bei den kleinen Unternehmen bzw. bei den Start-Ups unterkommen.
Ein kluger Kopf – vom Mitarbeiter zum eigenen Start-Up
In einem Cluster ist es für die Top IT-Ingenieure einfacher, ihr eigenes Start-Up aufzubauen, wenn sie mit dem Arbeitgeber nicht zufrieden sind. Hier beginnt die eigentliche Konkurrenz. Der große Konzern muss immer aufpassen, dass er mehr als ein anderes, viel kleineres Unternehmen bieten kann. Die IT-ler wissen, dass sie heiß umkämpft sind und wägen daher ab, was sich mehr lohnt; das kann eine eigene Unternehmung sein oder ein anderes. Es kann aber auch passieren, dass sich die neue Selbstständigkeit für beide lohnt.
Chinesische Start-Ups bilden ihre eigene Strategie und schauen schon lange nicht mehr von ausländischen Clustern ab. Selbst Unternehmensgründer, die im Silicon Valley ausgebildet wurden und in China ihr Start-Up hochziehen, empfinden Management und Strategie aus den USA als teilweise überholt.
Dass diese neuen Strategien funktionieren, erkennt man an den Gehältern und Löhnen, denn diese gleichen sich den der US-Amerikaner erstaunlich rasch an. Dennoch sollte es dringlichst vermieden werden, Hangzhou oder andere E-Commerce Cluster als „chinesische Silicon Valleys“ zu bezeichnen. Man müsste eher von einer neuen Generation, Level 2.0 sozusagen, sprechen.
Zusammenfassend kann behauptet werden, dass die BAT wettbewerbsfähiger sind als die frischen Unternehmen, wenn es um das Recruiting von Top-Kandidaten geht. Dennoch entstehen aus Gründen der Effizienz, des Freiheitsgedankens und der Opportunität Start-Ups. Gleichzeitig entwickelt China damit sein eigenes Venture-Kapital.